Es ist wohl ähnlich schwer über Wasser zu wandeln wie in der politischen Sphäre einen Fehler einzugestehen. Selbst im Alltag, wo es nicht darauf ankommt, ist ein Fehlereingeständnis selten. Bei jedweder Kritik beginnt man erst sich automatisch zu verteidigen und dann, wenn die Verteidigung ins Leere läuft, spürt man einen großen Unwillen, spürt man, wie sich alles wehrt gegen das Schuldeingeständnis. Dabei könnte einem das berechtigte Eingeständnis menschliche Größe verleihen, wenn man schon ein egoistische Messlatte anlegen will. Allerdings ist die Situation für die meisten Menschen nie so eindeutig, dass die Verteidigung ins Leere läuft: Da werden äußere Umstände herangezogen (ich war krank, schlecht geschlafen), da werden andere Geschichten (die überhaupt nichts damit zu tun haben) auf die Waage gelegt, da wird die Bedeutung für den anderen heruntergespielt, auf Meta-Ebenen gegangen – aber niemals wird ein Fehler eingestanden. Das liegt wohl an der Kommunikation, würde ein Freund von mir nun sagen. Die meist in diesen Fällen geführte Kommunikation beschränkt sich darauf zu sagen: “Du warst so und so und hättest eigentlich so und so sein müssen”, ohne dem anderen einen Spielraum für eine andere Interpretation zuzugestehen. Der andere wird durch das Gespräch auf die Rolle festgelegt. Der Teufelskreis sieht dann so aus: Wenn man einmal angefangen hat sich zu verteidigen, muss der andere sein Anliegen (zumeist seinen Vorwurf) verteidigen, was zu einer verstärkten Verteidigung der Verteidigung führt, was im Endeffekt zu verhärteten Fronten führt. Nach der ersten Verteidigung ist eine Entschuldigung für einen Fehler nicht mehr möglich.
Wenn es nun im Alltag schon kaum möglich ist, diesem Teufelskreis auszuweichen, wie soll es dann in der medienvermittelten Politik möglich sein. Im Kleinen wie im Großen geht es um Deutungsmacht und den daran geknüpften Selbstwert. Ein Diskurs über Themen ist im Alltag aber eher möglich als in der Politik. Im Alltag gibt es (glücklicherweise) keine Opposition, die immer “Siehst du” oder “Hab ich dirs nicht gesagt” sagt (außer den Eltern vielleicht), keine Opposition, die nach der nächsten Wahl vom Eingeständnis deines Fehlers, deiner Fehlbarkeit, irgendwie mit Wählerstimmen profitieren könnte. Und aus dieser Angst vor dem Eingeständnis dieser Fehlbarkeit müssen alle Entscheidungen, die einmal gefällt sind, mit an Idiotie grenzender Ignoranz verteidigt werden. Die Entscheidung über Leben und Tod eines Menschen, um die es hier gehen soll, ist dabei noch einmal eine Ausnahme. Sie ist die absoluteste Entscheidung.
Arnold Schwarzenegger hat der Stadt Graz nun das Recht aberkannt, seinen Namen zu nutzen. Diese hatte aufgrund seiner Ablehnung der Begnadigung von Tookie Williams überlegt, ihm die Ehrenbürgerwürde zu entziehen und das Arnold-Schwarzenegger-Stadion umzubenennen. Nun kam ihnen Arnie zuvor. Durch die blinde Verteidigung dieser Entscheidung hat er nun konsequenterweise all seine Wurzeln, all seinen Ursprung begraben müssen. Er fühlte sich in seinem Selbstwert angegriffen und das einzige, was ihm als Reaktion einfiel war, die ihn in Frage stellenden Österreicher da zu treffen, wo er wahrscheinlich bei den meisten Menschen die Schwachstelle vermutet: Beim Geld. Er entzog also die Vermarktungsrechte. Die Österreicher hatten seine menschliche Eignung als Ehrenbürger aufgrund dieser Entscheidung in Frage gestellt. Nun hat er dies durch seine Reaktion mehr als nur bestätigt: Auf die menschliche Frage hat er nur eine finanzielle Antwort gefunden.
Das Eingeständnis eines Fehlers wird es in der Politik nicht geben. Zumal die Kategorie “Fehler” auch nur meine Deutung ist, für einen erzkonservativen Politiker wie Schwarzenegger kann dies kein Fehler sein. Aber vielleicht ist dieses Verständnis (meinerseits) hier nicht angebracht. Das Verständnis endet, wenn es um den Tod anderer Menschen geht.