Manchmal prägt man Bilder, ohne zu ahnen, wie sehr sie bald auch auf einen selbst zutreffen werden.

Eine gute Freundin wurde vor Jahren von einem Bekannten sehr geliebt. Seine Verliebheit war voller Kreativität und Inbrunst – und damit viel zu groß, um sie nicht zu verschrecken. Sie lehnte das alles, all die kleinen Briefchen mit Gedichten und all die Geschenke resolut ab – und weckte damit in ihm die andere Seite der Verliebtheit, den Hass des Abgelehnten, des Verstoßenen. Nach Jahren der Funkstille begannen sie irgendwann doch wieder miteinander zu reden und sie konnte, da er jegliche Hoffnung und Erwartung verloren hatte, ihn als Person klarer wahrnehmen. Nach einer Weile betrachtete sie ihn mit anderen Augen und verliebte sich in ihn.

Die beiden zeichnen nun an dem Gemälde ihrer Beziehung. Nur ist die Leinwand teilweise schon von Vergangenheit, von Verletzungen und Ängsten vollgesogen. Jede neu aufgetragene Farbe mischt sich mit den alten Farben, die wenn schon nicht verschwunden, so doch eigentlich zumindest getrocknet sein sollten. Das neue, strahlende Rot, das sie gemeinsam auftragen, wird ungewollt zu einem Braun, das Gelb wird zu einem Violett… Wie soll man so etwas Klares, Beständiges zeichnen, wenn man nicht weiß, welche Farbe auf welchen Grund trifft, welcher Satz auf welchen Boden fällt? Das geht nur um den Preis der Anerkennung des Alten, nur in dem Wissen, dass die gemalten Farben nicht immer die sein werden, die man sich beim Auftragen wünscht. Glücklicherweise wird man im neuen Zeichnen bald auch Stellen entdecken, die noch weiß sind und die man früher nie hätte sehen können. Es sind die Teile der Persönlichkeit, die im früheren Werben oder Ablehnen ausgeblendet waren. Dort kann das neue Rot strahlen und wirken.

Dieses Bild hatte ich der Freundin mitgegeben, um möglichen Problemen besser begegnen zu können. Nun fällt es auf mich zurück und ich stehe vor meinem eigenen kleinen Gemälde. Ich darf wundervolle magische Momente erleben und zugleich spüren, wie mein Inneres panisch Stopp schreit. Wie all die Behelfsbrücken, die ich mir mühsam über die schweren Verletzungen gebaut hatte, unter den alten, neuen Möglichkeiten, ihr nahe zu sein, erzittern und die Hoffnung wieder aufkeimt, dass der Weg zu ihr doch nicht endgültig zerstört ist. Ich spüre, wie schwer es ist, den Blick auf mein altes Bild zu richten, auf dieses innere Guernica – und darüber nun einen malerischen Sonnenuntergang zu zeichnen.