Eine Fragestellung beschäftigt mich schon eine ganze Weile: Wie geht man mit der Verliebtheit eines anderen um, die man selbst nicht erwidern kann?

Meine bisherige Variante war die Kein-Kontakt-Kur. Das habe ich als erstes aus der Position des Verliebten erfahren und habe ich merkwürdigerweise auch für mich selbst übernommen. Es ist ein Verhalten das wesentlich auf der Ansicht basiert, der andere sei von einer Krankheit namens Verliebtsein befallen und müsse nun wie bei einer Droge auf absoluten Entzug gesetzt und in Quarantäne gebracht werden, um den schädlichen Viren, die der andere ausstrahlt, nicht weiter ausgesetzt zu sein.

Es könnte aber auch eine Art Fluchtverhalten und damit eine Form der Feigheit sein. So zumindest würde es die andere Position betrachten. Aus dieser Sicht gebietet es der Respekt vor dem Anderen, ihn weiterhin zu sehen und auch den Kontakt aufrechtzuerhalten. Bei diesem Verhalten würde der andere dadurch „geheilt“, dass er die Ablehnung, die er erfahren hat, langsam – besonders auch im Kontakt mit dem Ablehnenden – aufarbeiten könnte. Ein weiterer positiver Effekt wäre dabei, dass das göttliche Bild des anderen durch den täglichen Kontakt geerdet werden würde.

Das Verhalten in dieser Situation hängt natürlich auch von dem Verhältnis ab, das man vor der einseitigen Offenbarung hatte: War man jahrelang gut befreundet oder hat man sich gerade erst kennengelernt. Daran schließt sich die grundlegende Frage an: Was bedeutet einem der andere? Wenn man den Fall ausschließt, dass man wirklich keine Lust mehr auf irgendeine Aktivität mit dem Anderen hat, dann wäre die Nähe und die Freundschaft auch dem Nicht-Verliebten bedeutsam. Dadurch entsteht aber das grundlegende Problem: der Kontakt.

Der Verliebte wird immer wieder den Kontakt suchen und eigentlich spräche nichts dagegen, sich zu treffen, wenn die Verhältnisse klar wären. Aber es ist leider in den seltensten Fällen so, dass es einen Verliebtheitsschalter gibt der An oder Aus sein kann. Und das trifft für beide zu – sonst würden sie sich ja nichts bedeuten. Der Verliebte kann nicht einfach den Schalter auf Aus stellen, weil er erfahren hat, dass der andere all das nicht empfindet. Und der Nicht-Verliebte kann häufig Schwankungen der Gefühle oder Komplimente, die beim sympathischen Kennenlernen dazu gehören, auch nicht so einfach ausschalten. Das wiederum wird der Verliebte als neue Zeichen deuten.

Es gibt ein hohes Ambivalenzpotential, besonders auch, weil die meisten Nicht-Verliebten, den anderen nicht verletzen wollen und deshalb glauben, dass es besser sei, die bittere und klare Wahrheit in kleine verträgliche Dosen aufzuteilen. So lassen sie sich oft in theoretische Diskussionen über ihre Gefühle verwickeln. Die Grundthese des Verliebten ist nämlich immer die, dass der andere sich seine Verliebtheit oder seine Gefühle nicht eingestehen will. Und wenn das Näherkommen auf der Gefühlsebene nicht funktioniert, wird es eben auf der Kopfebene versucht. Der Nicht-Verliebte kann diese These natürlich nicht widerlegen, ohne auf den Gefühlen des Anderen herumzutrampeln, was er aber immer vermeiden wollte. So kommt es zu einer Abneigung, ja fast zu einer Angst vor dem Anderen. Das führt in Kombination mit dem alten Gefühl, das der andere einem ja etwas bedeutet (hat), zu einem Wechsel aus Versuchen, alles wieder in Ordnung zu bringen (durch Reden), und Versuchen, die eigenen Grenzen zu wahren (durch Wegstoßen).

Dabei versichert der Verliebte natürlich immer, nicht mehr verliebt zu sein und nur den Wunsch zu haben, mit Respekt und als Freund behandelt zu werden. Nur dass der Nicht-Verliebte das natürlich (häufig zu recht) nicht glaubt. Ein Verliebtheits-Verdacht lässt sich, wenn man sich aufgrund von gegenseitiger Sympathie weiterhin treffen und miteinander kommunizieren will, nur schwer widerlegen – besonders wenn die Beziehung nach dem Bekenntnis eher asymmetrisch wirkt. Das Verhältnis ist belastet, Interpretationen und Missverständnisse umlagern die Gespräche und Gedanken. Es steht eine Freundschaftsgrenzüberschreitung im Raum, ein Zuviel an Intimität und man kann – so gern man es doch wollte – nicht mehr in einen Vorverliebtheitszustand zurückkehren.

Das muss natürlich alles nicht so kommen. Das ist das Worst-Case-Szenario zwischen den beiden oben beschriebenen Varianten. Die Theorie des erwachsenen Umgangs miteinander (also weiterhin treffen) geht von vernünftigen Menschen aus, die mit einer Ablehnung halbwegs souverän umgehen können und die auch einen klaren Kontakt zu ihren eigenen Gefühlen haben. Das ist allerdings sehr selten.