Es ist ein merkwürdiges Gefühl mit dem Studium fertig zu sein. Es ist eigentlich nicht anders als das Gefühl an einem runden Geburtstag: Man ändert sich nicht, man fühlt sich nicht anders. Und doch ist so vieles anders: All das, was man vor wenigen Tagen noch für überlebensnotwendig hielt, das Lernen, das Lesen, das den Ganzen-Tag-in-der-Bibliothek-Sitzen, all das ist weg, all der Druck ist raus, den man sich selbst auflastete und den andere einem durch ihr beständiges Fragen nur vermehrten. All das, was einem noch vor einer Woche Sinn gab, ist nun verschwunden, und nun rächt sich, dass das Lernen und die Prüfungen keinen Sinn neben sich duldeten, dass sie den Möglichkeitsraum des Lebens so sehr überfluteten, dass nun nach ihrem Abfliessen nur noch schwammige, poröse Wände übrig sind und dass man, wenn man übertreiben wollte, sagen könnte, dass man vor den Trümmern seiner eigenen Existenz steht.

Und natürlich soll man sich freuen. Das Wasser ist ja endlich abgeflossen, die mentale Überschwemmung beendet. Man soll und darf jetzt legitimerweise das machen, was man immer schonmal machen wollte. Das einzige Problem ist lediglich, dass all das Sehnen, all das Träumen, kurzum: all das Andere, in den Fluten längst untergegangen war. Vieles hatte sich noch heroenhaft aufgebäumt, einiges hatte man sich selbst trotzig aufrecht erhalten. Aber nun angesichts des abgezogenen Wassers schwirren diese Dinge leblos durch den Möglichkeitsraum. Man müsste sie einzeln herauspicken und mühsam wiederbeleben. Aber dazu hat man schlichtweg keine Lust, weil all die Optionen degradiert, all die Sinnmöglichkeiten zu einem Nebensinn kastriert wurden – zu einem Feierabendsinn, zu einem Nischensinn, und sie in dieser (kaum noch vorhandenen) inneren Verankerung vehement der Möglichkeit widersprechen, sich nun auf den alleinigen Thron der Sinnhaftigkeit heben zu lassen. Man wird zerrieben zwischen den Möglichkeiten (vielleicht auch Illusionen) eines früheren Lebens.

Es gibt zwei anerkannte Auswege aus dieser sinnentschwemmten Welt. Zum einen kann man vor dem inneren Chaos und der möglichen Leere flüchten. Man macht Urlaub. Allerdings ändert sich damit nichts am Hiersein, man erfährt nur, dass man auch in einem Dort leben kann. Aber vielleicht, so wäre eine Hoffnung, vielleicht strömt ja all der Prüfungssinn, all der Lernsinn aus den Ohren hinaus in die dortige Wüste oder ins dortige Meer. Das letztere ist wohl dafür prädestiniert, weil man das Entschwemmen dann kaum merkt. Beim ersteren könnte man allerdings noch gutes Tun und eine Oase gründen. Aber das wird nun zu abgedreht.

Als zweites kann man sich in die Arbeit stürzen, in der Hoffnung, das man im Sturz irgendwo ein wenig Alltag zu fassen bekommt. Letzten Endes ist dies aber nur die Fortsetzung der Überschwemmung mit scheinbar neuem, weil bezahltem Wasser. Man richtet sich freundschaftlich damit ein, schläft auf der Luftmatratze und hat genug Zeit die alten Optionen wiederzubeleben oder sich neue zu erschließen. Auf lange Sicht ist das der “natürliche” Weg, an dem man kaum vorbei kommt.

Als dritter kaum gangbarer Weg bietet sich an, indem man die Frage nach einem Sinn endlich aufgibt. Man verbringt seine Tage dann, so wie ich, damit, endlich mal was neues zu tun. Beispielsweise Weichspüler für die Handtücher zu kaufen, die nun schon seit drei Tagen in meinem Zimmer auf das unbeschreibliche Waschgefühl warten, das ihnen nur ein echter Weichspüler geben kann. Und man kann sich dann jeden Abend von neuem darüber ärgern, dass man das so schwere, aber auch so fluffig-weiche Neue doch wieder vergessen hat.