Vermutlich musste das Pamphlet einfach raus. Don Alphonso, über den selbst an Blankenhainer Bloggertischen diskutiert wird und über den gerne der überflüssige Satz gesagt wird „Man kann ja halten von ihm, was man will, aber…“, genau diese tendenziell übersteigerte Kunstfigur mit den stark menschlichen Zügen hat nun seinen Frust über die von den Verlegern missverstandene Bloggerwelt hinausgebrüllt. Allerdings gilt auch hier wie so oft: Nur weil etwas laut ist, ist es noch lange nicht richtig.
Es ist naheliegend, dass die Zeitungen ihr Revier verteidigen und die Blogs kleinreden, besonders auch, weil sie diese neue Welt kaum verstehen. Ebenso verständlich ist es auch, dass Blogs versuchen Zeitungen kleinzureden und sich als die einzig wahren unabhängigen Medien darzustellen. Da ich nun mal in einem Blog schreibe und sich die Zeitungen immerhin bemühen, die Blogosphäre zu verstehen, hier nun einige relativierende Ausführungen zur Qualität der klassischen Printmedien.
Bei den Bloggern entsteht die Klage vermutlich aus der Wut, außer den klassischen Medien, keine andere Informationsquelle zu haben. Es wird allerdings keinen Blogger geben, der auf die Lektüre der klassischen Medien verzichten kann. (Spiegel-Online bietet im Vergleich zu einer (Qualitäts-)Tageszeitung sehr wenig Informationen.) Allein durch Bloglektüre wird man nur einen kleinen Teil der Welt erfassen. Letzten Endes berufen sich die meisten Blogbeiträge auf Zeitungsmeldungen. Dies liegt zum Teil auch daran, dass die meisten Blogger nur sehr selten recherchieren und dass sie, wenn sie doch recherchieren, nicht als gleichwertig anerkannt werden.

Aber warum bringen sich beide immer wieder in Konkurrenz zueinander? Das Pamphlet von Don Alphonso behauptet sogar einen direkten Zusammenhang zwischen dem Niedergang der klassischen Medien und dem Aufstieg der neuen Medien. Das soll provokativ sein, ist aber ein eher abstruser, alter Vorwurf.
Es ist das ewig-alte Gejammere des Gestern-war-alles-besser: Die Tageszeitungen, die Jugend, das Wetter. Sicherlich die Tageszeitungen stehen unter einem größeren Druck, die Zeit für Recherchen ist gering. Bei vielen Themen werden nur Agenturmeldungen abgedruckt. Aber ebenso gibt es viele Themen, die besonders in Qualitätszeitungen sehr ausführlich behandelt werden, ausführlicher als es Blogs (je?) könnten. (Man denke hier nur an die klassische Seite 2 der Süddeutschen, auf der ein aktuelles oder weniger aktuelles Thema in seinen Facetten beleuchtet wird.) Und wenn den Zeitungen vorgeworfen wird, sie schrieben voneinander ab, dann sollten die meisten Blogger zu diesem Vorwurf schweigen, da die Blogosphäre genauso funktioniert.
Selbst wenn man dem Vorwurf des Immer-schlechter-Werdens, der so leicht von den Fingern geht, zustimmt, ist nicht klar, wie sich die Kausalität verteilt. Sind die Zeitungen qualitätsarm, obwohl es einen sehr großen Bedarf an Qualität gibt? Vermutlich richten sich die Zeitungen aber auch an ihren vermuteten Lesern aus. Wenn die Aufmerksamkeitsschwelle der vermuteten Leser geringer wird, weil das Informationsangebot breiter wird, werden sich die Zeitungen anpassen und mehr Unterhaltung präsentieren. Es kommt zudem immer auch darauf an, welche Medien man betrachtet, wenn man von Qualitätsverlust spricht: Regionalzeitungen, Qualitätszeitungen, Boulevardzeitungen?
Genauso wie die Antwort nach den Zeitungstypen zu unterscheiden ist, so muss man auch bei den Kunden verschiedene Lesergruppen unterscheiden. Die jungen Blog-Leser sind noch eher offen für die klassischen Medien als umgekehrt. Die älteren Zeitungsabonnenten werden sich wohl kaum den Blogs zuwenden. Wenn behauptet wird, dass die Leser der klassischen Medien aussterben, ist das wohl nur die eine Seite. Denn die Demographie spricht für die klassischen Medien. Die Leserschichten überschneiden sich meinem Erachten nach kaum. Bundestagsabgeordnete, Lehrer oder Fleischer werden sich nicht in Blogs informieren. Das Bloglesepublikum ist ein sehr spezielles.
Die Rolle, die in diesem Pamphlet den Blogs zugeschrieben wird, ist zu groß. Es mag zwar schön sein, das Ideal zu haben, dass Blogs Gegenöffentlichkeit sein können, aber wenn man sich die Inhalte der meisten Blogs ansieht. Ja, es gibt Blogperlen, ja, es gibt Recherche, ja, es gibt eine sehr gute Vernetzung. Aber wie ist das Verhältnis zu den unpolitischen “Ich-poste-mal-ein-lustiges-kleines-Video-Bloggern” oder zu den “Was-ich-heute-alles-so-gemacht-habe-Bloggern”? Soll die große Zukunft, die den Blogs bescheinigt wird, darin liegen, dass es eine Recherche-, oder sogar eine Meinungswelle geben wird?
Das einzige, was man dem Pamphlet entnehmen kann, ist die These, dass die klassischen Medien den Einstieg ins Web 2.0 verpasst haben. Meine These ist allerdings, dass hier von Äpfeln erwartet wird, dass sie Birnen seien, dass die klassischen Medien gar nicht das leisten können, was Blogs leisten und Blogs umgekehrt niemals Tageszeitungen sein können.
Nachtrag: Ironischerweise schreibt gerade jemand, der als Journalist sein Geld verdient, und der vermutlich durch seinen Beruf auch seinen Blog professionalisieren konnte, dass sich Tageszeitungen im Niedergang befinden. Die einzigen in seinem Sinne guten (weil kritischen) Blogs werden aber von hauptamtlichen Journalisten betrieben. So schlecht, können die Zeitungen somit also nicht sein. Die Journalisten, insbesondere Don Alphonso, betrachten Blogs eher als die Sphäre, in der sie endlich unabhängig von redaktionellen Linien endlich mal ihre eigene Meinung rausbrüllen können. Das ist es, was sie vermutlich so sehr an Blogs fasziniert und zu dem oben beschriebenen Blogbild führt.