Das schöne am Fußball, eigentlich an allen Sportarten, ist, dass man überhaupt nicht mehr nachdenkt. Alles reduziert sich auf Körper und Bewegung, auf Atem und Schweiß. Irgendwie kommt man – auf eine abstruse Art – mit sich ins Reine: Nach einem 10 Kilometer-Lauf gibt es keine Probleme außer den körperlichen mehr. Fußball ist eine Art Meditation.
Nur manchmal drängt sich neben das einfache Gewinnenwollen, unerwarteterweise der Gegner mit seiner absurden eigenen Wirklichkeit. Beispielsweise beim Herrentagsturnier der Uni: Ich wusste mit 100 % Sicherheit, dass der Ball meine Hand nicht berührt hat – es ist ja doch meine Hand. Die Gegnerin behauptete es trotzdessen mit einer extremen Überzeugtheit, die mir fast Angst machte. Ein andernmal dribbelte ich knapp vor der Auslinie, die ich aber sehr genau sah, weil ich fast drauf stand. Trotzdessen behauptete der Gegenspieler, der Ball sei im Aus gewesen. Und das immer mit einer Überzeugung, die in ihrer Intensität meinem eigenen Wissen (!) um die Wahrheit meiner Wahrnehmung entsprach. Da wurde mir erst bewusst, dass ich ebenso komplett falsch liegen könnte.
Die schönste Szene des ganzen Turniers lieferte aber einer meiner Mitspieler. Es war ein sehr ruhiges Turnier. Jede Mannschaft stellte auch zugleich Laien-Schiris für andere Spiele. In unserem Strafraum fällt ein Gegner im Laufduell mit einem Verteidiger um. Der Schiri pfeift Neunmeter. Einer unserer Spieler beschwert sich und meint eher unaufgeregt, dass der Gegner doch nicht dafür, das er dem Abwehrspieler ein Bein gestellt hatte, noch einen Strafstoß geschenkt bekommen könnte. Da kam nun der große Auftritt von Alex. Er stellte sich gekonnt zwischen Laien-Schiri und Laien-Fußballer. Er schubste den eigenen Spieler zurück, beschwichtigte, tat so, als wäre unser Spieler hyperaggressiv und kurz vor einem tätlichen Angriff. Diese schöne Parodie auf die sonst üblichen Aggressionen verlieh dem mittelmäßigen Spiel einen Touch eines großartigen, guten Spiels. Sie war Bundesliga unter den Freizeitkickern.