Meiner Erfahrung nach kann es bei jeder Geschichte zwei völlig verschiedene Sichtweisen auf den Hauptdarsteller geben: Einen involvierten, sorgevollen Blick und einen abgekühlten, faktenorientierten Metablick.
Ein Beispiel: Eine gute Freundin von mir war den reinen Fakten nach in den letzten fünf Jahren nie Single. Sie hangelte sich von einem Freund zum nächsten. Zufälligerweise war es immer so, dass der neue schon am Horizont erschien, als der alte gerade am untergehen war. So könnte man das sehen. Aber ich war involviert, ich war dabei, habe jedes Zögern, jedes Zweifeln, viel Freude, viel Leid miterlebt: Ich weiß, dass die reinen Fakten täuschen, dass es diese Meta-Perspektive im Zwischenmenschlichen nicht geben kann. Jedenfalls nicht für mich.
Allerdings ist es natürlich auch eine Frage des Austarierens. Eine andere damalige Freundin hatte eine ständige Auf-und-ab-Beziehung. Ich erlebte eher die Abs. Obwohl ich also alle Abstürze in Erinnerung hatte und wusste, dass sie in ihrer Euphorie eigentlich nur Fallhöhe aufbaute, freute ich mich jedes Mal mit ihr, wenn ihre Beziehung wieder einmal nur schön war. Sicherlich hätte ich mahnen können und ich habe mich oft auch gefragt, ob das nicht meine eigentliche Aufgabe gewesen wäre. Hätte ich sie nicht daran hindern müssen, ihr Herz immer wieder freudig in diesen fünften Stock zu tragen, auf das er es dann erbarmungslos aus dem Fenster warf und ich die Scherben unten mit ihr aufkehren konnte. Aber ich hoffte immer auf ihr Lernen, auf ihre eigenen Erfahrungen. Immerhin sagte ich das auch: Es liege an ihr, daraus zu lernen. Ich werde mich nicht von ihr abwenden, aber ewig auffangen kann ich sie auch nicht.
Die Nahperspektive muss wohl dann um die oben beschriebene Metaperspektive erweitert werden, wenn sich das Handeln im Kreis dreht und immer wieder dieselben Fehler passieren.