Manchmal habe ich das Gefühl, dass all das, was andere Menschen schlecht machen könnte, immer schon in unserer Gegenwart mitschwingt: All die klitzekleinen unangenehmen Eigenschaften, die die Person insgesamt unerträglich machen können, all das Gerede, was man über die Person über Dritte erfährt, was man aber ihr niemals gegenüber aussprechen darf, all die charakterlichen Schwächen, die jemanden genauso liebens- wie hassenswert machen können. Es ist nur eine ganz unscheinbare Nuance der Wirklichkeit, diese negative Trübung, diese störende Ebene, die man in jüngeren Jahren noch nicht ernst nimmt. Vielleicht ist es ein Spalt der Hoffnung, vielleicht auch der Liebe, die einen festgefahrenen, einen festlegenden Blick auf die Anderen verhindert.
Später jedoch wandert der Blick auf das Störende und verwandelt es – im eigenen Prestigedenken, durch die ständigen Eigenwirkungsanalysen – in das Ganze. Je tiefer man sich in der Gesellschaft verankert, desto seltener kann man in Anderen mehr als sich selbst sehen, desto mehr fürchtet man im Anderen die Haltlosigkeit des eigenen erwartungsschweren Ankers zu entdecken. Deshalb muss der andere auf genaue Koordinaten festgelegt werden, muss als anders, ferner – und damit auch als schlechter – definiert werden. Jede Offenheit, jede Freiheit wäre da gefährlich. Glücklicherweise umschließt der Boden des Alltags den Anker sehr schnell und macht die Positionsbestimmung damit zur Routine.