Es gibt keine Tradition der Familienfeiern. Sie sind spätestens nach dem zweiten Weltkrieg entstanden, als sich die Kinder einen anderen Wohn- und Arbeitsort als die Eltern suchten. Davor war die Familie sowieso in einem Haus versammelt, eine Familienfeier hätte keinen Sinn gemacht. Sie ist ein Zeichen von Abwesenheit, von fremdem Alltag.
Was mich aber wundert, ist, dass sich dieses Konzept allgemein so schnell durchsetzen konnte. Besonders, wann sich die Familie trifft, ist ganz eindeutig geregelt: An Geburtstagen, Ostern und Weihnachten. Keine Ausnahme, alles ist rigide geregelt. Mit jedem Treffen zurrt man die Regeln unbewusst fester.
Mir erscheint diese Feierform schon selbstverständlich. Ich sehe heute schon, wie die Generationen wechseln und es genau das gleiche bleiben wird: Eine Tradition, die niemand will und es eigentlich auch nicht gibt, der aber trotzdem jeder folgt. Ein Treffen, bei dem die Themen immer gleich sind, das immer gleich abläuft. Ein Treffen, das im subjektiven Empfinden immer schrecklicher wird, wahrscheinlich bis die Teilnehmer altersbedingt ausgewechselt werden. Ein Treffen, das bloß höfliche Blendung ist. Ein Treffen, nach dem die eigentlichen, uralten Gräben mit rechthaberischer Freude wieder vertieft werden können. Sie waren währenddessen nur mit dem brüchigen Reisig des Alltags abgedeckt und überbrückt worden.