Bei Umzügen gibt es auch immer wieder nette soziale Effekte zu beobachten. Die meisten hängen mit Männlichkeit zusammen. Ein Verdrängungswettbewerb darum, wer das schwerste trägt, wer am meisten leistet, setzt meist dann ein, wenn einer sich dazu berufen fühlt, an seine Grenzen zu gehen. Wenn man dann schon einmal nur eine Kiste trägt, wird man komisch angesehen, betrachtet sich selbst sogar anhand des Vergleichs als schwächelnd. Dabei besitzt Gewicht auch eine zeitliche Komponente: So wie man eine nur leicht gefüllte Flasche Wasser am ausgestreckten Arm nicht länger als eine Minute halten kann, so wird auch eine leichte Kiste im vierten Stockwerk schwerer.
Es gibt scheinbar ein akzeptiertes Gewicht, was indirekt jedem in Verhältnis zu seiner Erscheinung zugeschrieben wird: Du 15 Kilo, du nur 10 Kilo. Alle Ausbrüche werden sanktioniert. Wenn jemand zuviel nimmt, wird er als Masochist charakterisiert, bei zuwenig als Faulpelz.
Gestern habe ich wieder mal bei einem Umzug geholfen. Ein Masochist war auch dabei. Ich gehe langsam die Treppe hinter ihm runter und weiß, dass da noch ein sehr schweres sperriges Regal im Transporter ist. Erleichtert sehe ich, dass es noch einige leichtere Bretter gibt, die zuvor hochgebracht werden müssen. Aber da hatte ich seinen Ehrgeiz unterschätzt, spontan schlägt er vor: “Lass uns die Bretter doch erstmal in den Hausflur stellen.” Ich kann nicht widersprechen, was spräche auch dagegen, gleich das Große zu nehmen. Ich bin doch jung und fit (aber auch faul). Später schleppte er noch ein ganzes Sofateil alleine auf dem Rücken. Aber das war wirklich beeindruckend, ungelogen.