„Ich bin aber schon vergeben.“ Was bedeutet dieser Satz beim ersten Ansprechen?

Man könnte es löblich nennen, dass Frauen diesen Fakt gleich erwähnen. Es soll alle aufkeimenden Hoffnungen von Vornherein eliminieren. Natürlich wird damit dem Ganzen zugleich ein Kontext gegeben, den man als Ansprechender eigentlich vermeiden will: Es liefe alles sowieso auf den Wunsch nach einer Beziehung hinaus. Nach diesem Satz hat man nur noch die wunderbaren Optionen sich selbst zu verleugnen („Nein, darum ging es doch nicht!“) oder die Kommunikation auf die (abstruse) menschliche Schiene umzulenken („Ich will dich als Mensch kennenlernen!“). Für Frauen schafft das die aus Männersicht kaum auseinanderzuhaltenden Alternativen: Entweder bekommen sie Kennenlernsicherheit („Er weiß, dass ich ihm nicht mehr geben will. Da kann ich ihn auch mal treffen.“) oder es dient ihnen als perfider Ablehnemechanismus („Jetzt spätestens solltest du eingesehen haben, dass du hier nichts zu suchen hast.“). Wenn man für die erste Variante plädiert, schließen sich weitere Fragen an. (Alles folgende steht natürlich unter der Vorausetzung, dass man für die Frauen hinreichend interessant erscheint.)

Lohnt es sich Frauen in Beziehungen kennenlernen zu wollen? Ist das purer Masochismus oder (selbstverleugnendes) Gutmenschentum? Gibt es wirklich so etwas wie „Ich will einfach nur den Menschen kennenlernen“?

Es ist natürlich ein Schlag ins Gesicht für jeden rational kalkulierenden Menschen, seine Lebenszeit an eine Frau zu verschwenden, bei der es kein klar definiertes Endziel gibt, bei der all die Energie und all die Zeit, die man zum Kennenlernen investiert, umsonst sein könnte, weil sie sich letzten Endes doch für ihren sicheren Jetztpartner entscheidet. Noch fraglicher ist natürlich, ob es jemals zu einem entscheidenden Showdown zwischen dem Herausforderer und dem bisherigen Titelträger kommen wird – viele Frauen lassen diesen inneren Kampf gar nicht erst zu. Das kann zum einen ein Zeichen für die absolute Sicherheit der Beziehung sein (sie will niemanden anderen kennenlernen), zum anderen aber auch das genaue Gegenteil bedeuten (wenn es eine innerlich erzwungene Entscheidung für den Partner ist, bei der eine enorme Angst vor jeder vergleichenden In-Frage-Stellung des Status Quo entstanden ist). Wesentlich für die Einordnung ist, was das für ein Signal für ihren Partner ist. Daran lässt sich sehr gut unterscheiden, warum man sich mit demjenigen trifft: Will man es verschweigen oder kann man es direkt erzählen? Daran erkennt man auch die innere Dynamik einer Beziehung.

Aus meiner Erfahrung sind es zwei Typen von Beziehungsfrauen, die sich auf Dates mit fremden Männern einlassen: Die Hippie- oder die Krisenfrauen. Beide Typen sind äußerst gefährlich.

Die ersten wollen scheinbar einfach nur schauen, was das für ein Mensch ist, der sie da kennenlernen will. Aber in ihrer einfachen Freundlichkeit und in ihrer liebevollen Natürlichkeit zerfurchen sie all die inneren Schutzgrenzen, die vor dem Verliebtsein und der kompletten Hingabe gezogen worden sind. Für sie ist man (aus welchen psychologischen Motiven auch immer) hauptsächlich Sympathie- und Begehrenslieferant. Nur um dann spielerisch – nach langem inneren (oft auch körperlichen) Hin- und Hergerissensein – irgendwann doch einmal „Nein“ zu sagen.

Die andere, die Krisenfrau, schwankt in ihrer Beziehung bereits. Bei ihr gab es große Streits und Enttäuschungen in der letzten Zeit. Innerlich weiß sie nicht mehr, auch wenn sie sich das noch nicht rational eingestehen will, ob sie die gegenwärtige Beziehung noch will. Die Position des Verstärkers dieser Gefühle ist vakant. Bei ihr läuft es auf einen inneren Kampf hinaus, in dem letztendlich beide Kämpfer zu Boden gehen werden. Zusätzliche Spannung bietet diese Konstellation zudem, wenn der Herausforderer zugleich die Position des Kommentators einnimmt und mit ihr gemeinsam entscheidende Fehler seines Gegners analysiert. Letzten Endes wird sie sich dann (langfristig gesehen) für den Schiedsrichter oder irgendeinen unbeteiligten Dritten entscheiden.
Beides keine sonderlich verlockenden Varianten, in beiden gibt es – vorausgesetzt man verliebt sich – ein Leidensabo.

Das Schöne aber ist: Es muss gar nicht so weit kommen.

Es ist eine moderne Seuche, immer vorher bestimmen zu wollen, was und wie etwas sein wird (dazu folgt demnächst noch ein Eintrag). Die Reduktion des Möglichkeitsraumes zugunsten einer eindeutig zuordnbaren Wirklichkeit, man begibt sich in die so sicheren Hände des eindeutig Definierten und bestimmt vorher, was das alles bedeuten wird, was man alles in diesen Situationen fühlen könnte. Ich könnte mich dann verlieben: Schutzschilde hoch! Ich könnte meinen Freund damit hintergehen: Absage!

Mein Plädoyer, so wenig ich das auch momentan kann, ist daher: Sich dem Moment anvertrauen und sich selbst in dem Moment vertrauen. Das erste steht für eine Absage an alle Erwartungen und alle Vorwegnahmen der Zukunft. Das zweite ist für den Moment entscheidend: die eigenen Gefühle nicht nur wahr, sondern sie auch ernst zu nehmen. Dann wird man erkennen, dass es da auch andere Gefühlsnuancen jenseits von Verliebtheit und Fremdgehen geben kann.

P.S. Entgegen aller Ankündigungen und Plädoyers weiß ich heute schon, dass ich diesen Text ob seiner besserwisserischen Loslassementalität bald innerlich verfluchen werde. Es geht schon los…