Die Vorstellung ist weit verbreitet, dass Beziehungen nur der Selbstvervollkommnung dienen. Ein sehr einleuchtendes Bild dafür bietet die Engelsmetapher: “Wir sind Engel mit nur einem Flügel, um fliegen zu können müssen wir uns umarmen. ”
Gestern endlich entdeckte ich durch die Ausweitung dieses Spruchs, was ich bei einigen Beziehungen befürchte. Dort wird dieser Spruch angenommen und die Selbstvervollkommnung durch Selbstbespiegelung errreicht. Der andere ist dann der Spiegel des eigenen Flügel und man glaubt mit dem neuen zweiten Flügel endlich fliegen zu können. Dabei ist es für die meisten nur der erste Moment, dass sie überhaupt gespiegelt werden. Das Glück des Spiegels wird zum Glück der Beziehung. Die Beziehung gibt letztendlich Sicherheit über sich selbst, die man sich selbst nicht geben konnte.
Es ist aber auch nicht so, dass man sich formt und formt und wenn man fertig ist, ein fertiger Mensch, kann man endlich ins Leben entlassen werden und eine Beziehung beginnen. Sicherlich bedeutet Beziehung auch aneinander zu wachsen, aber nicht um der eigenen Unvollkommenheit wegen, sondern weil die Beziehung mehr will und mehr wird, als beide Eigenheiten zusammen sein können. Es ist, um im Bild zu bleiben, als würde man den eigenen zweiten Flügel mit dem Flügel des anderen verwachsen, sie ineinander verwurzeln. So zu fliegen wird unmöglich.
Das alles hat Rainer Maria Rilke schon einmal schöner formuliert. Daher nun als nächster Eintrag ein Rilke-Zitat, das nur für sich allein stehen kann.
(Auch wenn ich der Absolutheit mit der das Lernen nur bei sich selbst stattfinden soll, nur bedingt recht geben kann. Aber der letzte Ausdruck trifft sehr genau den Kern des Liebens: “Welt zu werden für sich um eines anderen Willen”)