Der Film wird von vielen Kritikern hochgelobt (er soll sogar mit dem Paten verglichen worden sein), das Publikum scheint begeistert (Platz 3 bei den IMDB 250). Das ist mir sehr unverständlich. Die plausibelste Kritik habe ich bei den Fünf-Filmfreunden gelesen. Allerdings immer noch mit einer viel zu guten Bewertung (3,5 von 5). Der Film verdient maximal zwei von fünf Sternen.

Es ist unverständlich, warum der Film 2,5 Stunden geht und es dabei nicht einmal schafft, die Charaktere ausreichend glaubwürdig zu entwickeln. In nahezu jeder Szene des Films fehlt etwas. Man erahnt, was in der Szene ausgesagt werden sollte, wenn man darüber nachdenkt, aber der Film kann das nicht emotional vermitteln. Es gelingt nicht, die Figuren anhand von kleinen beiläufigen Situationen zu beschreiben. Nur in den ruhigen Situationen wäre doch ein Profil oder ein Charakterzug darstellbar, in Actionsequenzen geht das kaum. Stattdessen beschränkt sich der Film in den wenigen ruhigen Momenten darauf, Klischees zu bedienen und die Figuren mit Pathos zu überhöhen. Grundlegend wird der Fehler begangen, dass die Figuren das erzählen, was die Situation darstellen soll, anstatt dass es dargestellt wird. (Sehr gut ausgeführt in der Filmfreunde-Kritik). Also sieht man nicht wie die Bürger Harvey Dent vertrauen, weil er eine Lichtgestalt ist oder wie er wirklich knallhart Gangster hinter Gitter bringt, nein, darauf baut der Film einfach auf und lässt es Batman sagen und wir sollen es glauben. Ganz schrecklich ist beispielsweise die Ansprache auf dem Empfang, nach der jeder Zuschauer sich die Frage stellt, die Rachel ihm dann auch stellt: Meinst du diesen pathetischen Scheiß ernst? Batman bejaht. Aus meiner Sicht bleibt selbst der Joker als Figur unterentwickelt, auch wenn es schon Spaß macht, dem Schauspiel zuzuschauen. Nolan konnte sich nicht entscheiden, welchen Strang er erzählen wollte, welche Figuren er als welchen Typus darstellt.

Zu den charakterlichen Unklarheiten kommen Unklarheiten des Settings: Wo spielt das Ganze? Hat Nolan es wirklich in eine Großstadt der Gegenwart verlegt und wenn ja, warum beraubt er Batman seines Comichintergrunds? Welchen Vorteil verspricht er sich davon? Die Parallelen zur Gegenwart werden doch auch ohne Eins-zu-Eins-Entsprechung deutlich. Das nimmt dem ganzen die Mystik, das Besondere. Was kennzeichnet denn die Bürger von Gotham City, was macht sie anders? Ohne diese Aura der leicht überzeichneten Stadt wird der Film zu einem von tausend Actionfilmen unserer Zeit und nicht mal zu einem guten. Nolan nimmt Batman sein eigentliches Setting (wenn es das je so ausformuliert gab) und gibt Bruce Wayne dafür das Yuppiesein und Batman das CSI-Jack-Bauer-Sein. (Ein wunderbares Beispiel für unerklärtes CSI-Gehabe ist, als Batman die Kugel aus der Wand schneidet, dann plötzlich im Labor eine Super-Schusskonstruktion aufgebaut hat und die Kugel am Computer durch Simulation wieder zusammensetzen lässt, um dann einen Fingerabdruck auf der abgefeuerten Kugel zu finden, der ihn zum nächsten Tatort führt. Oberschwachsinn! Gibt es einen Unterschied zwischen Kugel und Hülse?) Brauchten wir das?

Der Film schafft es über weite Strecken nicht, Spannung zu erzeugen, weil die Handlung zu dicht gepackt ist. Spannung baut sich auf, wenn man eine Steigerung erzeugt, wenn man eine Situation zuspitzt. Dafür muss man sich aber Zeit lassen. Das gelingt dem Film nicht. Er hetzt von einer Actionsequenz zur nächsten. Die Parallelität der Situationen ab der Hälfte des Films verschlimmern das nur noch: Statt überall Spannung zu erzeugen, zerstören die Action und der Kampf an einem Ort, die sich aufbauende Spannung am anderen. Aber soviel Atempause lässt der Film einem ja gar nicht. Die Akteure rennen der Handlung hinterher, die Akteure können in fast keiner Situation darüber nachdenken, was sie tun – sie müssen einfach handeln, weil das Geschehen ein Flächenbrand ist. Mag sein, dass das ein Prinzip des Jokers sein soll, soviel Chaos wie möglich zu erzeugen, aber es bestimmt den Film zu deutlich. Der Zuschauer kommt dabei nicht mit – nicht nur, weil es keine Pausen und auch keinen Spannungsaufbau gibt, sondern auch weil die Actionszenen unglaubwürdig sind.

Es katapultierte mich aus dem Film, wie viel bereits geplant gewesen sein soll. Für den Zuschauer wird der Joker zum neuen Jean Pütz, der nach dem Motto „Ich hab da mal was vorbereitet“agiert. Die gesamte zweite Hälfte des Films ist bereits bis ins kleinste vom Joker durchgeplant. Überall sind natürlich bereits Bomben versteckt. Und natürlich ließ sich der Joker absichtlich fassen, nachdem er in lächerlicher und spannungsloser Manier zuvor versucht hatte, den Polizeiwagen in einer Tunneljagd mit einem Raketenwerfer zu zerstören (alles Show!). Und natürlich hatte er zuvor einem Gangster eine an ein Handy gekoppelte Bombe implantiert, damit diese dann in der Gefangenenzelle explodieren konnte. Und natürlich waren die Bomben für die beiden Opfer auch schon vorbereitet. Mein Gott! Wieso so viel? Geht es nicht auch ein Kaliber drunter? Als Zuschauer dessen fühlte ich mich verarscht und fand das ganze Dargestellte nur noch absurd. Ein bisschen Plausibilität wäre doch ganz nett gewesen. Zumal der Joker ja eigentlich für das Ungeplante stehen soll.  Da rächt es sich, dass Nolan Batman in die reale Großstadtwelt einbettet – in einem comichaften Setting wäre das alles vermutlich noch deutlich akzeptabler. Selbst bei „24“ haben die Macher auf eine gewisse Glaubwürdigkeit des Plots geachtet. Zur Glaubwürdigkeit zählt auch, dass die Figuren Handlungsspielräume haben und dass es Zufälle geben kann, die nebenbei bemerkt auch die Spannung erhöhen.

Ein wenig widersprüchlich sind zudem die anderen Gangster neben dem Joker. Während sich Bruce Wayne in seinem Penthouse und in seinem globalisierten Konzern im 21.Jahrhundert befindet, sind die anderen Gangster allesamt in der Pate-Zeit hängen geblieben: Sie treffen sich in irgendwelchen schäbigen Küchen und starren auf einen Uralt-Bildschirm. Schön ist auch, wie jedes klassische Stereotyp von Gangsterbande bedient wurde: Der Schwarze, der Russe, der Italiener. Der Schwarze spielt natürlich Billiard in einem dunklen Club, der Italiener isst beim Italiener, der Russe kommt erst, wenn es Geld gibt.

Und so schwer es mir fällt, das nach 2,5 Stunden zu schreiben: Viele Szenen wurden einfach nicht beendet. Zum Beispiel taucht der Joker beim Empfang auf und will Dent töten. Die Szene endet nachdem Batman Rachel gerettet hat. Was ist mit dem Joker? Geht der einfach wieder? Oder als der Joker das erste Mal bei den Stereotyp-Gangstern auftritt: Was ist mit dem Geld von Lau? Wieso wird der einfach weggeschaltet? Überhaupt: Warum wird die Geschichte, die am Anfang so ausführlich erzählt wird, nachher so nebensächlich? Weil er und die anderen Gangster so blaß gegenüber dem Joker aussehen? Oder: Wie steht die Öffentlichkeit zu Batman? Warum gibt es zum Anfang Nachahmungstäter? Hat das irgendeinen Grund? Oder zu Dent: Wieso wurde der beispielsweise früher „Two-Face“ genannt? War er doch nicht immer der weiße Ritter? Welche Szene fehlt da? Außerdem, und das merkt der Kritiker des New Yorker zu Recht an, warum wird die Szene im Krankenhaus zwischen Joker und Dent, die psychologisch am interessantesten und für die Dent-Geschichte am wichtigsten ist, nicht zu Ende geführt. Nur damit man glaubt, Dent sei in der Explosion umgekommen? Dort geschieht die wesentliche Wandlung des Charakters und für die Zuschauer wird es nur oberflächlich angedeutet, während die Akteure von Explosion zu Explosion hetzen.

Nolan hat es geschafft in zweieinhalb Stunden soviel Handlung zu packen, dass man fast übersieht, das es keinen großen Handlungsstrang gibt, keine erzählte Geschichte und besonders tragisch: keine Dramaturgie. Parallelität erzeugt noch keine Spannung, noch keine Story. Die einzige Geschichte des Filmes ist die Story von Harvey Dent. Diese wird jedoch durch die oben geschilderte Nichtdarstellung seines Charakters ebenso unverständlich wie langweilig: Es gibt in dieser Person keine Fallhöhe, da es diese Person nicht gibt. Vermutlich floss das Geld, was man eigentlich für einen Dramaturgen hätte ausgeben sollen, direkt in die computeranimierte Darstellung von Dents zerfetztem Gesicht. Diese Verschiebung ist vermutlich die größte Last für das gegenwärtige Actionkino: Alles ist computertechnisch machbar. Nur dass das immer teurer wird und immer mehr von dem Budget frisst, was man auch in die Story hätte stecken können. Aber die Zuschauer wollen das ja: Sie wollen sich von den Bildern fesseln lassen und ihren Kopf abschalten können. Da stört Story nur.

„Batman – The Dark Knight“ ist ein undurchdachter und überladener Film. Er dient lediglich als Wegmarke des Abstiegs des modernen Action-Kinos (von Action und Story zu Action und Action). Der Film hat immerhin das Glück, dass Millionen von Zuschauern gerade denselben Weg hinabsteigen.

Foto: © TM & DC Comics.2008 Warner Bros. Entertainment Inc.