Eigentlich sind wirkliche Einsichten, eigene Gedanken sehr selten. Die meisten Gedanken rauschen vorbei wie die Abgrenzungen auf einer mentalen Autobahn: Sie sind kaum zu greifen, kaum wahrzunehmen. Erst das Stehenbleiben – sei es durch einen Unfall oder durch eine erzwungene Pause – ermöglicht ihr Erkennen. Man betrachtet sie erschrocken und stolz, wie man den grasigen Untergrund betrachten würde, wenn man zum ersten Mal das mannigfaltige Treiben auf dieser vielbetretenen Sicherheit entdeckt.
Dann holt man das Einmachglas hervor, fängt den knospenden Gedanken ein und stellt ihn in seinen Gesprächsschrank. Dort verstaubt er, bis er irgendwann einmal hervorgekramt und die Staubschicht unter kurzen hustenden Erinnerungsversuchen weggeblasen wird. Dann wird er jedoch präsentiert, als wäre er in diesem Moment gerade erst entstanden und nicht nur für diesen einen Moment – angeleint an die eigenen Überzeugungen – in die Freiheit entlassen worden. Dass er aber nur in einer vergangenen Witterung, einer anderen Sonne blühen konnte, wird vergessen. Neu blühen wird der Gedanke so kaum, eher gestutzt, bevor er dann wieder in den mentalen Keller gebracht wird. So ähnlich ergeht es auch vielen Gefühlen.
Deshalb nun mein praktisch orientierter Vorschlag: Es sollte zu jedem Gedanken, den man äußert, auch gleich dessen Herstellungsdatum und dessen Produktionsbedingungen genannt werden. War es ein Freiland-, ein Bodenhaltungs- oder ein Käfiggedanke? Wann war das Verfallsdatum?
So erkennt man möglicherweise, dass der Gedanke auch heute noch weiter gedeihen und Früchte tragen könnte.