Die freie Wahl zu haben, überfordert mich. Das merke ich immer, wenn ich zu Subway gehe. Das Subway-Versprechen ist, dass man das perfekte, nach eigenen Wünschen zusammengestellte Sandwich bekommt. Aber zwanzig verschiedene Zutaten, fünf verschiedene Brotsorten, drei verschiedene Käse, und das alles in fünf oder sechs aufeinander aufbauenden Auswahlschritten – das ist mir einfach zu viel für ein Sandwich.

Dieses (nicht mehr sehr neue) Subway-Auswahl-Prinzip stellt in meinen Augen auch die Logik der Gastronomie auf den Kopf. Früher hat der Koch ein Gericht aus Zutaten kreiert, die er in dieser Kombination für wohlschmeckend hält, oder er hat Rezepte gekocht, die Jahrhunderte lang tradiert wurden. Der Gast hatte dann die Wahl zwischen diesen kreierten und sinnvoll kombinierten Gerichten. Entweder der Koch hatte gut gekocht oder nicht – die Verantwortung für ein schlechtes Geschmackserlebnis lag ganz eindeutig beim Koch.

Subway kehrt dieses Prinzip um: Die Verantwortung für ein schlechtes Geschmackserlebnis liegt beim Kunden – er hat eben die falsche Kombination an Zutaten gewählt! Selbst schuld, wenn er nicht weiß, dass die Kombination aus Brot 1, mit Käse 2, mit Zutat 3 und 4 überzogen mit Soße 5 nicht schmeckt! Der Kunde wird hier zum Koch. Dabei sind die meisten Kunden in Geschmacks- und Kombinationsfragen ja eigentlich ungelernt – sie kennen nur ihre eigenen, individuellen Vorlieben und nur wenigen gelingt es, aus diesen Vorlieben gute Kombinationsmöglichkeiten zu entwickeln.

Um die Bedeutung dieser Umkehrung zu verstehen, muss man sich nur vorstellen, wie dieses Prinzip in einer Cocktail-Bar wäre: Bitte wählen Sie zunächst das Glas für Ihren Drink! Soll er alkoholisch sein? Wieviele verschiedene Spirituosen soll er enthalten? Welche Spirituosen und in welcher Menge? Mit Eiweiß oder ohne? Geschüttelt oder gerührt?

Natürlich ist der geschmackliche Unterschied, den zwei Weinbrandsorten in einem Cocktail bedeuten, nicht so leicht vorstellbar, wie der Unterschied den Peperoni oder Mais auf einem Sandwich-Brot bedeuten. Das Subway-Prinzip funktioniert daher nur bei der Kombination von Zutaten, die aus dem Alltag vertraut sind – so beispielsweise auch in Frozen-Yoghurt-Läden, in denen man zwischen Früchten, Nüssen und Schokoladen wählen kann. Aber das Prinzip hält immer mehr Einzug: Immer häufiger kann ein Bestandteil des Essens oder Trinkens selbst gewählt werden – sei es das Topping bei Cupcakes oder der Flavour beim Kaffee.

Subway bildet hier nämlich nur die Speerspitze einer notwendigen, gesellschaftlichen Bewegung: Warum sollte man das wichtigste, gesellschaftliche Prinzip, die Individualität, nicht auch beim Essen ernst nehmen? Warum muss man sich noch der Macht der Köche unterwerfen und ihre vorgefertigten Portionen essen? Wie kann etwas, das jeder Depp bestellen kann, zu meinem einzigartigen Ich passen?

Das was früher nur Stammkunden in wenigen Lokalen vorbehalten war, können nun alle haben: Jeder hat in jedem Restaurant seine eigenen Gerichte! Das Handy kann hier, wie so oft, der Schlüssel zur Individualität sein. Wenn ich also mit meinem Handy demnächst die Subway-Filiale betrete, wird mein bisheriges Profil automatisch an Subway übermittelt und ich bekomme das Sandwich, das ich von meinen früheren, gespeicherten Bestellungen am besten bewertet hatte.

Das kann allerdings nur eine Übergangslösung sein: Später, wenn ich mein gesamtes Essverhalten in meinem Handy protokolliere und bewerte, wird Subway nicht mehr auf bisherige Bestellungen angewiesen sein, sondern aus meinem Essensprofil mein individuelles Sandwich erstellen. Dazu braucht es dann auch keine Angestellten mehr. Das beendet auch die wirklich tragische Existenz der Subway-Angestellten, die wie Sisyphos im Minutentakt jedem Kunden neu das überfordernde Bestellprinzip erklären müssen.