Ich halte mich eigentlich für einen politisch interessierten und informierten Menschen. Nachdem ich das politische Tagesgeschäft lange tagesaktuell verfolgt habe, bin ich mittlerweile aber müde geworden, jede Sau, die durchs Dorf getrieben wird, zu kennen und eine Meinung dazu zu haben. Es reicht mir, die grundsätzlichen Antreiber, die dahinterliegenden Gründe des Treibens und die häufigsten Trieb-Wege zu kennen. Da muss ich nicht mehr jede einzelne Sau kennen.

Aber dennoch werde ich immer wieder auf Einzelsäue angesprochen. Dabei merke ich, dass das Tempo des Treibens immer größer wird. Wenn man drei Tage lang keine Nachrichten gesehen hat, hat man den größten und wichtigsten Aufreger schon verpasst. Früher haben sich Themen langsamer entwickelt, es wurde länger darüber berichtet und man konnte sich langsam eine Meinung bilden. Heute fallen das Aufkommen eines Themas und die Meinungsbildung zu ebendiesem Thema fast in die Zeitspanne eines Tages.

Um im Bild zu bleiben: Es werden immer kleinere Säue medial immer größer aufgeblasen. Und dann werden sie – angetrieben von der ausweichenden Luft – durchs Dorf geschossen. Bis sie nach drei Tagen wieder ganz klein sind und die nächste Sau zum Aufblasen bereit steht.

Solange die Menschen den Säuen staunend hinterherschauen und dem Treiben mit ihren Meinungen hinterherhecheln, werden sie nicht fragen, was das Ganze soll und schon gar nicht, wer davon eigentlich profitiert. Dazu bleibt ja keine Zeit – man muss doch informiert sein…

„Und da kommt auch schon wieder die nächste Sau! So was hat’s noch nicht gegeben!“

… oder aber man steigt aus der medialen, dörflichen Erregungsgemeinschaft aus und wird entweder zum Politik- und Medienverächter oder gleich ganz apolitisch…

„Aber schau doch, was für eine Sau! Oh, was für ein Skandal!“

…was aber eigentlich traurig ist, weil doch – so pathetisch es klingen mag – die Gestaltung unserer Gesellschaft uns alle angeht.

„Sag mal, was hältst du eigentlich von dieser unglaublichen Sau?“