Wahrscheinlich werde ich einfach altersmilde oder ich habe schon zu viele durchs Dorf getriebene Säue gesehen – ich kann die mediale Aufregung um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst nicht verstehen. Auf mich wirkt das eher wie eine mediale Menschenjagd. Wie damals bei Christian Wulff. Die Medien entdecken einen schönen Widerspruch (Saubermann vs. Lügengeschichte) – und in diesem Fall sogar noch eine exzentrische Persönlichkeit dazu – und beginnen immer tiefer im Privatleben zu graben. Persönlichkeitsrechte zählen nicht mehr, die Geschichte zählt. Es gibt die Medien, die die Geschichte vorantreiben – das ist hauptsächlich der Boulevard. Und es gibt die Medien, die dann scheinbar objektiv über den Skandal berichten – das sind die seriösen Medien. Das Vorgehen des Boulevards ist schrecklich, aber immerhin stringent. Das Verhalten der seriösen Presse hingegen ist sehr scheinheilig: Man berichtet darüber, was andere herausgefunden haben, was dem Bischof nun auch noch vorgeworfen wird. Sie tun so, als gebe es den Skandal objektiv, und übersehen geflissentlich, dass sie ihn eigentlich gerade durch ihre Berichterstattung erzeugen und wesentlich anheizen. Da wird dann, wie es sich für eine seriöse Zeitung wie die Süddeutsche gehört, über die Finanzierung der katholischen Kirche berichtet oder es werden bei Spiegel Online (gut – gehört eigentlich nicht zur seriösen Presse) die anderen Bischöfe befragt, was sie von dem medial erzeugten Skandalon in ihrer Mitte halten.
Das ganze Kaputtmachen dieses Mannes, dieses ganze investigativen Journalismus vorgaukelnde mediale Spiel, in dem alles aus dem Privaten Hervorgezerrte zum Skandal erhoben und dann anhand der medial konstruierten überheblichen Persönlichkeit dieses Mannes erklärt wird, das alles wird mit dem Argument gerechtfertigt, dass die Medien Missstände und Widersprüche aufdecken müssen. Und natürlich auch Geldverschwendung anprangern müssen!
Wenn es denn schon ein Missstand ist, kann man dann den darin verwickelten Menschen nicht wenigstens ihre Menschenwürde und ihre Privatsphäre zugestehen? Vielleicht kann man den Skandal aufzeigen und ihn dann den internen Korrektur-Mechanismen der katholischen Kirche überlassen. Da wäre die mediale Antwort: Das geht nicht, weil es dann wohl keine Konsequenzen daraus gebe. An diesem Gedankenspiel erkennt man, wie weit die mediale Macht in diesem Fall geht: Die Medien sind hier schon die Richter und haben das moralische Urteil bereits gefällt. Jetzt muss die Wirklichkeit ihr Urteil nur noch bestätigen! Alles andere als eine Bestätigung wäre ein weiterer Skandal und natürlich ein weiterer Beweis der Verruchtheit und Verkommenheit der katholischen Kirche. Letzten Endes wird die Problematik aber in den Gremien der katholischen Kirche verhandelt werden. Die Medien können jetzt nur so starken Druck aufbauen, dass Tebartz-van Elst zusammenbricht und zurücktritt.
Man müsste sich nur einmal vorstellen, wie groß der mediale Aufschrei gewesen wäre, wenn die Bischofskonferenz begonnen hätte, die Personalentscheidung des Spiegels für Nikolaus Blome zu kritisieren und zu skandalisieren. Blome widerspreche allen Werten der Kirche! Jeden Tag würden die Kirchenvertreter neue Details aus dem Privatleben von Blome ans Tageslicht zerren. Eigentlich eine ganz lustige Vorstellung! Aber das ist eben nicht die Aufgabe der Kirche.
Die Medien haben sich irgendwann selbst zur vierten Gewalt im Staate erhoben. Wenn sie dieses Amt schon ausfüllen wollen, so ungewählt und unkontrolliert wie sie sind (und das in einer Demokratie!), dann sollten sie es mit mehr Respekt vor den anderen Systemen ausfüllen. Es ist schrecklich, in welche Richtung sich der Journalismus in Deutschland entwickelt. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals einen erzkonservativen Bischof verteidigen würde! Oh, mein Gott!

(Bild: Wikimedia Commons, Autor: Christliches Medienmagazin)