Neulich habe ich mit Erschrecken festgestellt, dass ich schon lange nichts mehr für mein antimodernistisches Profil getan habe. Daher:

Ich hasse Facebook! Lange Zeit habe ich diesem Phänomen nur kritisch gegenüber gestanden und versucht mit quasiethnologischem Blick herauszufinden, was die Menschen an dieser Plattform fasziniert. Aber seit Facebook begonnen hat, das Internet zu kolonialisieren, ist dieses Soziologeninteresse vorbei. Das ist es nämlich, was Facebook gerade voran treibt: Die Kolonialisierung des Internets. Es strukturiert das gesamte Internet und macht es sich zu Werbezwecken zu eigen.

Ich verstehe nicht, warum sich dagegen keine Widerstandsbewegung gründet. Wieso kann Facebook sich ungehindert mit seinem „Gefällt mir“-Button selbst auf kritischen Seiten wie dem Spiegelfechter ausbreiten? Wieso bietet mir Rumpfkluft an, auf Facebook zu veröffentlichen, welche T-Shirts ich mir gerade gekauft habe? Wieso fragt mich Mitfahrgelegenheit, ob ich meine Fahrt nicht mit meinen Facebook-Freunden teilen will? Warum machen diese Seiten da alle mit? Wieviel Geld bekommen sie denn dafür? Und noch viel schlimmer die andere Seite der Nutzer: Geben das wirklich Leute an? Das ist doch eine völlig neue Dimension der Selbstoffenbarung.

Nur: Warum tun mittlerweile 10 Millionen Facebook-Nutzer all das? Ich glaube die einfachste Antwort ist wohl, dass sie nicht merken, vor wem sie es preisgeben. Die Illusion all das nur vor Freunden zu tun, so als sei man auf einer gemeinsamen Freizeitreise und nicht in einem Big-Brother-Container, in dem jede einzelne Bewegung überwacht und protokolliert wird. Dieser neue Big-Brother-Container dient nicht zur Unterhaltung der Massen vor dem Fernseher, sondern zur Erstellung von Werbeprofilen ebenjener Insassen und zum Verkauf ebendieser Informationen an Dritte. Solange diese im Hintergrund stehende Struktur unsichtbar bleibt und nur die Ferienreise sichtbar ist, wird das Prinzip funktionieren. Zumal das ja auch eine Reise von ausgehungerten Personen ist, die sonst lange Zeit alleine wären, da ihre Arbeit sie vereinzelt und der gesellschaftliche Zwang zur Mobilität sie atomisiert hat. Da kommt die kleine Dauerreise gerade recht.

Ich jedenfalls lösche jetzt mein Profil. Freundlicherweise wird Facebook es aber aufbewahren, falls ich es mir nochmal anders überlegen sollte. Eine tolle Seite.

Nachtrag: Wie absurd das ganze mit dem „Gefällt-mir“-Button ist, sieht man auf dieser Seite. Nerdcore schreibt über seinen Versuch, auszutreten und komplett gelöscht zu werden. Darunter steht heute, dass das 43 Facebook-Nutzern gefällt. Als er das vor zwei Jahren geschrieben hat, ahnte er wohl nicht, dass er bald Facebook selbst auf seine Seite lassen würde. Was lernen wir daraus: Wenn du nicht bei Facebook bist, kritischer Blogger, dann kommt Facebook eben zu dir. Oder: Wer heute kritisch ist, muss es morgen noch lange nicht sein.

Bild: By Minette Lontsie (CC BY-SA 4.0)